
Die viertstärkste Wirtschaftsmacht der Welt hat gewählt
Zwar nicht „Tief im Westen“ doch „Bleibt alles anders“?
Liebe Leserin, lieber Leser!
Der deutsche Sänger und Liedermacher Herbert Grönemeyer, der mehrere Wohnsitze, z.B. in Berlin Zehlendorf aber auch auf Mallorca besitzt, ist für seine tiefsinnigen Texte berühmt geworden. Seine politischen Äußerungen sind teils umstritten; wer sich, wie er, ein Leben in Saus und Braus leisten kann, kann auch gut und gerne Einschnitte für andere fordern.
1998 veröffentlichte er das Album „Bleibt alles anders“ mit dem Titel gebenden Lied. Dort heißt es: „Es gibt viel zu verlieren, du kannst nur gewinnen / Genug ist zu wenig oder es wird so wie es war / Stillstand ist der Tod, geh‘ voran / bleibt alles anders“ Fast, so scheint es, beschreibt er schon vor bald einem Viertel-Jahrhundert die Situation nach den Parlamentswahlen der viertgrößten Wirtschaftsmacht der Welt.
Da eine Partei mit 10,6% (vorl. amtl. Endergebnis laut Bundeswahlleiter) von allen anderen Parteien als Koalitionspartner ausgeschlossen wird, ergeben sich rein rechnerisch drei Varianten, wie es in der Bundesrepublik weitergeht:
- eine Fortsetzung der „großen Koalition“ mit zwei geschwächten Fraktionen, die in der letzten Legislatur gezeigt haben, dass sie unfähig sind, zu gestalten,
- eine sogenannte Jamaika-Koalition aus der dann führenden CDU, den Bündnis/Grünen und der FDP
- eine sogenannte Ampel-Koalition aus der dann führenden SPD, den Bündnis/Grünen und der FDP
Das macht die beiden kleinen Fraktionen zu sogenannten „Königsmachern“, die viel zu gewinnen, aber noch viel mehr zu verlieren haben. Das Ende der Koalitionsverhandlungen nach der Wahl 2017 ist allen noch im Ohr, als die FDP die Verhandlungen verließ, nachdem Angela Merkel offensichtlich nur ein Interesse daran hatte, die Grünen zu hofieren. Beinahe hätte es Neuwahlen gegeben – mit vermutlich sehr ähnlichem Ergebnis.
Auch dieses Mal droht dieses Szenario, zu nah ist die Programmatik von Bündnis/Grünen zur SPD, zu lange war die CDU mit der SPD in der Verantwortung. Dennoch würde eine weitere Verweigerung der Regierungsverantwortung den Wahlsieg für die Liberalen zum Pyrrhussieg machen. Sollte eine Koalition an den Bündnis/Grünen scheitern, würden auch sie geschwächt aus den Verhandlungen gehen.
Welche Erwartungen könnte man an die zukünftigen Koalitionäre haben? Nun, das wird insbesondere dadurch schwierig, dass es mit SPD und Bündnis/Grün ein eher linkes Bündnis geben würde, das wäre den üblichen Vermutungen folgend gleichzusetzen mit mehr Steuern, mehr Staat, mehr Bevormundung, mehr Regulierung und Verboten. Die FDP könnte hier die wirtschaftliche Vernunft einbringen, um „das Schlimmste zu verhindern“. Die entscheidende Frage wird hier also sein, wie stark sich Kühnert und Esken zurückhalten lassen. Und: Wieviel Sozialismus verträgt Deutschland noch in der Nach-Merkel-Ära?!
Eine eher konservative Koalition könnte mit mehr Wirtschaftsfreundlichkeit, aber auch mit mehr Staat – hier treffen sich schwarz und grün – mehr Regulierung bedeuten. Wie sehr könnte ein Armin Laschet, oder wer auch immer, hier alte Wege aufgeben und neue gehen? Also, es bleibt alles anders? Jain. Denn jede Koalition würde ihren Stempel auf die deutsche, aber auch die internationale Politik aufdrücken, insbesondere in der Außenpolitik.
Die Bundesrepublik braucht nach den 16 Merkel-Jahren einen neuen Aufbruch. Egal, welche Koalition es gibt, sie muss die wahren Probleme des Landes angehen: Energieversorgung, Arbeitslosigkeit, die Schere zwischen Arm und Reich und nicht zuletzt der Umgang und die Verfügbarkeit von Ressourcen. Eine Abhängigkeit der Bundesrepublik in den Fragen der Energie und der Ressourcen von anderen Ländern wäre der Tod der deutschen Wirtschaft – und mit der deutschen Wirtschaft auch des Wirtschaftssystems EU, das ein fragiles Netz an Abhängigkeiten ist.
Herzlichst Ihre
Claudia Diel