Mobilität führt zu wirtschaftlichem Aufschwung – auch in Städten

Liebe Leserin, lieber Leser!

Die etwas Älteren unter uns werden sich vielleicht noch an die Radio Erevan-Witze erinnern, die immer mit „im Prinzip ja, aber…“ endeten. Diese Idee, dass eine Idee im Grunde, also im Prinzip, erst einmal gut aussieht, kennen wir in vielen Bereichen. Das fängt in der Energieversorgung an und hört beim persönlichen Einkaufsverhalten auf.

Viele Städte fordern nun, das Automobil – den Buhmann für alles Schlimme auf der Welt, zumindest in Deutschland – aus den Städten zu verbannen, damit die Lebensqualität in den Städten steigt. Das sieht auf den ersten Blick auch richtig aus. Viele Städte sind auf dem Niveau der Mobilität des Mittelalters geplant und gebaut. Da stören die mehrere Quadratmeter belegenden Fahrzeuge enorm.

Das Resultat sind die mehr oder weniger großen Fußgängerzonen in den Innenstädten, die sich als Einkaufszentren mit vielen verschiedenen Geschäften und umfangreicher Gastronomie anbieten. Im Prinzip also wäre es sicher eine gute Idee, die Fahrzeuge aus den Städten heraus zu bekommen. Wie das meiste im Leben hat auch diese Idee so ihre Tücken.

Die starke Fluktuation der Läden und Gastronomiebetriebe zeigt jedoch, dass dieser Weg nicht der allein selig machende sein kann, offensichtlich kommen trotz oder wegen Fußgängerzone zu wenig Kunden.

Wenn man sich anschaut, wie sich der (westliche, europäisch-amerikanische) Mensch entwickelt hat, fällt auf, dass der Mobilität eine enorme Rolle zukommt. Sie ist ohne jeden Zweifel der Motor der modernen Gesellschaft. Lebte ein Mensch noch vor 100 Jahren in einem Bereich von etwa 50 bis 100 Kilometern im Umkreis, so sind wir heute global – mit all seinen positiven und negativen Aspekten. Die Möglichkeit, weiter weg zu gelangen und das zu einem vertretbaren Preis, löste eine Massenmobilität aus, die zu den Sprüngen der menschlichen Entwicklung in den letzten 150 Jahren geführt haben: Industrialisierung, Massenbeschäftigung und damit Massenwohlstand und damit auch eine Förderung der Wirtschaft. Ja, unser Wohlstand fußt zu einem nicht geringen Maß auf der Mobilität, nicht nur der Güter, sondern eben auch der Menschen. Und siehe da, es ist eine der Grundfreiheiten, die uns die Verfassungen der verschiedenen demokratischen Länder garantieren. Zu Recht!

Stellen wir uns nun eine Stadt ohne die Mobilität des Umlandes vor:

  • wer bringt Kaufkraft in die Stadt?
  • wer bringt Arbeitskraft in die Stadt?
  • wer bringt Leben in die Stadt?

Eine Stadt – genau wie ein Staat – ist auf Mobilität angewiesen. Menschen müssen in die Stadt gelangen, Güter müssen in die Stadt gelangen – und manchmal auch wieder hinaus. Ist dies nicht gegeben, ist eine Stadt zum Sterben verurteilt, keine Stadt, kein Staat dieser Welt ist auch nur ansatzweise in der Lage, aus sich heraus alle Bedürfnisse ihrer oder seiner Bürger zu befriedigen.

Phänomene wie Stadt- oder Landflucht sind hier die überdeutlichen Zeichen, dass eine Gesellschaft ohne Mobilität zum Scheitern verurteilt ist. Städte und Staaten müssen Wege finden, die Massen mobil zu halten, Waren müssen möglichst frei austauschbar sein, Kapital muss in der Lage sein, frei zu fließen, Arbeitskraft muss frei beweglich sein, um da zu sein, wo sie gebraucht wird.

Und der Mensch muss sich in dieser mobilen Welt frei bewegen können, um sich weiter entwickeln zu können. Sicher müssen wir Wege finden, von fossilen Brennstoffen weg zu kommen, die sind nicht nur endlich, sondern eben auch nicht unendlich wirtschaftlich förderbar. Aber: Mobilität – auch in die Städte – muss auch für den kleinen Mann möglich und finanzierbar sein, auch CO2 neutral. Ob wir nun mit synthetischen Kraftstoffen Verbrenner nutzbar erhalten oder andere Antriebsarten nutzen, spielt dabei keine große Rolle, aber eine weniger mobile Gesellschaft wäre eine Gesellschaft auf dem Weg in düstere Zeiten – wirtschaftlich und auch sozial.

Herzlichst, Ihr

Bernhard Diel

(OStRiE) ist Geschäftsführer der AEGRAFLEX, der europäischen Vereinigung der Graveure und Flexografen.